»Von der Idee zum Bild«

Martin Paul Müller im Interview mit Esther Niebel

Esther Niebel: Der Titel deiner ersten Einzelausstellung in der Galerie The Grass is Greener lautet TENDER, was so viel wie zärtlich, empfindlich heißt. Im Deutschen ist der Tender auch der Versorgungswagen einer Dampflock. Auffällig an den in der Ausstellung gezeigten Bildern ist ihre Uneindeutigkeit. Allein durch ihre Farbigkeit, die vorherrschenden Farben sind Weiß und Violett, wirken sie etwas kühl. Dazu kommen die Motive, bei denen oft unklar bleibt, ob die dargestellte Geste oder das Lebewesen zärtlich oder aggressiv, distanziert oder vertraut, sympathisch oder unsympathisch ist. Du lässt den Betrachter alleine mit der Entscheidung darüber, beziehungsweise du zeigst auf, dass das Leben keine eindeutige Aussage darüber bereithält. Was ist es, was dich umtreibt?

Martin Paul Müller: Es ist nicht so, dass ich mich bewusst für diese Uneindeutigkeit entscheide. Aber im Laufe der Bearbeitung, also während der Bildentstehung, muss man immer wieder Entscheidungen treffen. Das Resultat ist ein Bild, das nach dem Rezipienten zum Vollenden der dargestellten Szene verlangt. Es liegt also im Auge des Betrachters, wie die Situation ausgeht oder was diese Situation provoziert hat.

Während der Bildentstehung muss man immer wieder Entscheidungen treffen. Das Resultat ist ein Bild, das nach dem Rezipienten zum Vollenden der dargestellten Szene verlangt.

Martin Paul Müller

Du bist in der Nähe von Saalfeld aufgewachsen und du hast mir mal erzählt, dass es für dich als Jugendlicher Lebensrealität gewesen sei, entweder rechts oder links zu sein. Ein Dazwischen oder unpolitisch zu sein, gab es nicht. Würdest du dieses Umfeld im Nachhinein wirklich als politisch bezeichnen oder hatte dieses Phänomen eher eine soziale Komponente?

Für meinen damaligen Freundeskreis und mich gehörte die Konfrontation mit "Rechten" zum Alltag. Von Haus aus sind wir ohne Gewalt aufgewachsen und so haben wir versucht, der Gewalt aus dem Weg zu gehen. Wenn die Gegenseite dies aber nicht akzeptiert, ist das nur schwer möglich. Mit Politik hatte das alles nichts zu tun. Frust, der sich durch Aggression und Gewalt Luft verschafft, ist uns entgegengeschlagen. Im Grunde sind da unterschiedliche Gesellschaftsschichten aufeinandergeprallt. Politisch wird das Ganze erst auf der Makroebene.

Kinder 5, 150 x 230 cm, Öl auf Leinwand, 2016

Siehst du einen Zusammenhang zwischen dieser Prägung und deinen Bildwelten?

Die Bilder stellen keine persönliche Abarbeitung von Erlebtem dar. Ich unterscheide hier zwischen einem künstlerischen und einem persönlichen Ich. Allerdings kann man persönliche Erfahrungen nicht völlig ausblenden.

Ich beginne die Bilder direkt auf der Leinwand ohne vorherige Skizzen oder Vorzeichnungen.

Martin Paul Müller

In deinen neueren Bildern kommen vermehrt mythologische Figuren vor oder Tiere, die in ihrer Charakteristik an Fabelwesen erinnern, da man den Eindruck hat, dass sie für eine Charaktereigenschaft in hervorragender Weise stehen. Der Hund für Aggressivität und Mut, die Ziege in der griechischen Mythologie eher für das Nährende und Lebensspendende. Wie kommt es, dass diese Figuren Einzug in deine Bilder gefunden haben und was willst du mit ihnen ausdrücken?

Ich beginne die Bilder direkt auf der Leinwand ohne vorherige Skizzen oder Vorzeichnungen. Deswegen spielt vor allem zu Beginn das Intuitive im Zusammenhang mit kompositorischen Fragen eine große Rolle. Daraus wird dann teils durch mehrfache Übermalungen, Zerstörung und Wiederaufbau das Bild entwickelt. Während dieses Bildprozesses haben sich die Figuren als elementar erwiesen.