»Arts and Crafts Week at Panty Camp«

Ein Gespräch zwischen Esther Niebel und Petra Mattheis

Esther Niebel: Wie bist du auf den Titel gekommen?

Petra Mattheis: Das ist ein amerikanischer Euphemismus für Menstruation. Ich beschäftige mich seit zwei Jahren mit dem äußerst spannenden Thema Menstruation und habe Euphemismen für die Regel gesammelt. „Arts and Crafts Week at Panty Camp” ist ein wunderbarer malerischer Ausdruck. Euphemismen verschleiern oft, worum es tatsächlich geht. Mir liegt daran, das neu zu besetzen und mit neuen Assoziationen auszustatten.

Das klingt wie eine Kampfansage. Gibt es für dich Grenzen oder Überschneidungen zwischen Kunst, Politik und Soziologie?

Die drei Begriffe spielen eine große Rolle zwischen Betrachter, Kunstwerk und Künstler. In meinen Arbeiten geht es schon sehr lange um die intimen Beziehungen zwischen diesen Akteuren. Was tut sich da, was spannt sich da auf. Wann wird die Intimsphäre verletzt und welche Scham entsteht dann. Was ist eigentlich Scham?

Ich wünsche mir viele menstruelle Aktivistinnen und Aktivisten, die die Stempel verbreiten und so eine neue kulturelle Bedeutung der Periode schaffen.

Petra Mattheis

Was macht dein Projekt Arts and Crafts Week at Panty Camp zu einem künstlerischen in Abgrenzung zum Beispiel zu den Aktivitäten der Gruppe Femen?

Ich weiß nicht, ob ich von Abgrenzung sprechen würde. Im feministischen Ansatz sind wir gleich. Und es liegt am Betrachter, ob er eher Kunst oder Aktivismus sieht. Für dieses Projekt würde ich das nicht trennen. Einen Teil der Arbeit zeige ich als Ausstellung in einem Kunstraum. Die Website becomeamenstruator.org ist dagegen jedem mit Internetzugang verfügbar. Ich habe darauf viele meiner Motive veröffentlicht, man kann sie in Do-it-yourself-Manier als Stempel nachbauen und aktiv werden. Ich selbst habe auch schon Drucke an diverse Stellen im öffentlichen Raum geklebt. Ich wünsche mir viele menstruelle Aktivistinnen und Aktivisten, die die Stempel verbreiten und so eine neue kulturelle Bedeutung der Periode schaffen.

Deine Arbeitsweise weist grundsätzlich eine Entsprechung von Form und Inhalt auf, beziehungsweise wird der Inhalt deiner Arbeiten durch ihre Form ergänzt. Dies wird besonders deutlich in den Serien Schrein oder Eingebettet. Gibt es eine solche Entsprechnung auch bei BAM - Become a Menstruator und wie stellt sie sich dar?

Menstruation wird meistens negativ gesehen, mir ist es ein Anliegen das in eine positive Sichtweise umzukehren. Aus diesem Grund habe ich angefangen Stempel herzustellen, ich möchte, dem kulturellen Bild der Menstruation wortwörtlich ein neues aufdrücken. Menstruation ist immer noch ein Tabu, bei dem nicht menstruierende Menschen darauf pochen, von Menstruation nichts mitzubekommen. Hier ist auch wieder die Frage nach der Verletzung der Intimsphäre. Wessen wird hier eigentlich verletzt. Ausgangspunkt meiner Arbeit war die Frage, warum verstecke ich, als eine Frau unter vielen, eigentlich meine Periode?

Ich habe gemerkt, wie befreiend es ist, Menstruation nicht mehr zu verstecken und zu kaschieren. Das Rot in der Arbeit drückt auch eine ganze Menge an Aggression und Freude aus.

Petra Mattheis

Du arbeitest nicht mit Menstruationsblut, sondern mit industrieller roter Farbe. Warum?

Ich wollte das alles blutrot ist. Wenn echtes Blut trocknet, wird es braun. Das war mir zu stumpf. Es sollte alles schön lebendig rot sein. Ein warmes Rot. Der Ersatzflüssigkeit aus der Werbung, wollte ich etwas entgegensetzen. Es geht ja auch nicht nur um das Blut an sich, sondern um alles, was wortwörtlich dran hängt bis hin zur gesellschaftlichen Wahrnehmung der Frau. Ich habe gemerkt, wie befreiend es ist, Menstruation nicht mehr zu verstecken und zu kaschieren. Das Rot in der Arbeit drückt auch eine ganze Menge an Aggression und Freude aus. Rote Farbe, um den weiblichen Körper zu transformieren.

Welche Relevanz hat Kulturgeschichte in Bezug auf deine Arbeit? Du sagst, dass du Stereotype aufbrechen möchtest; welche und wie haben sie sich historisch manifestiert?

Die Stereotype, in denen Menstruation wahrgenommen werden, waren mir vor meiner Arbeit auch nicht voll bewusst, so sehr hatte ich sie verinnerlicht. Dazu gehört das Schweigen, das nicht konkrete Benennen, das Verstecken des Bluts, der Stimmungsschwankungen, der Schmerzen. Die Hygieneindustrie macht einen riesigen Umsatz, in dem sie die Scham der Frauen, ihren Zyklus in irgendeiner Art und Weise offen zu legen, ausnutzt. Die ganze Werbung basiert auf diesem Prinzip. Wenn du das richtige Produkt nimmst, dann wird keiner was sehen, keiner was riechen, keiner was bemerken.

Ist das Thema Menstruation in deiner Arbeit ein deutsches, europäische oder ein globales und warum?

Das Thema Menstruation ist in den meisten Gesellschaften stigmatisiert. Die gesellschaftlichen Normen und Werte sind weltweit für Frauen ähnlich. Der Umgang mit der Menstruation spiegelt ja auch den Umgang mit der Frau in der Gesellschaft bzw. das Verhältnis der Geschlechter zueinander wider. Für eine gleichwertige Anerkennung zwischen Männern und Frauen ist es notwendig, Frauen in ihrer Ganzheit anzuerkennen. So langsam brechen ein paar aus den gewohnten Mustern aus, es gibt in den USA und in England schon andere „menstrual activists”. Aus diesem Grund ist das Projekt auch zu einem Großteil auf englisch angelegt. Mir ging es darum, das Thema unverkrampft anzugehen. Ich möchte, dass jeder sich unvoreingenommen mit dem Thema auseinandersetzt und darüber hinaus neue Bilder zur Menstruation entwickelt.

Warum spielt das aktive in dieser Arbeit für dich eine so große Rolle?

Das Aktive spielt in allen meinen Arbeiten eine Rolle, weil ich immer den Betrachter mit einbeziehe. In allen meinen Arbeiten gibt es die Aufforderung an den Betrachter, seinen Standpunkt zu wechseln und zu überdenken. Diesmal ist es leichter zu erkennen, weil der Betrachter selbst etwas herstellen kann, und deutlich aufgefordert wird, aktiv mitzumachen. Das bringt den Standpunktwechsel ganz natürlich mit sich.

Menstruation kann man als ein Frauenthema schlechthin bezeichnen. Ist deine künstlerische Auseinandersetzung dadurch motiviert, dass du eine Frau bist oder hast du einen anders motivierten Zugang zu dem Thema?

Natürlich spielt es für meine Arbeit eine Rolle, dass ich eine Frau bin. Aber das heißt nicht, dass es für Männer ein Thema ist, dass sie nichts angeht. Meine Arbeit ist dadurch motiviert, dass ich ein Mensch bin, der an vielen Stellen Ungleichheit erfährt. Eigentlich sollte das Geschlecht keine Rolle spielen. Selbst wenn Frauen schwanger sind, sprechen wir nicht über das Organ, das so unglaubliches leistet, sondern darüber, wie die Frau sich verhalten soll, damit das Kind (der Fötus) in ihr bestmöglich gedeiht.

Die Frage des Standpunktwechsels hat die amerikanische Feministin Gloria Steinem schon 1978 gestellt: „If men could menstruate” ist ein sehr interessanter Artikel über eine Welt in der Männer menstruieren.