Text zur Ausstellung

eu

Nichts kann sich positiv darstellen, wenn es nicht zunächst positiv gedacht wird. Der Gedanke als Urheber der Erscheinung hat eine Kraft, die es zu vergegenwärtigen gilt. Es geht um Affirmation. Denn Affirmation ist Bekenntnis, ist Anteil nehmen und Stellung beziehen. Affirmation ist ein sich bloß setzen, da mit der Affirmation stets auch die eigene Position und Haltung mit eingebracht wird. Die Affirmation im Politischen bedeutet eine Verbindung herzustellen zwischen dem subjektiven Eigenen und dem objektiven Allgemeinen. Damit macht sich der Affirmierende verletzlich, da er sowohl auf der persönlichen wie auch auf der Sachebene angreifbar wird. Insofern erfordert die Affirmation die größte Stärke und Selbstgewissheit.

Eine hauptsächlich strategische Bedeutung bekommt die Affirmation im Werbekontext, sowohl in der kommerziellen Werbung, wie auch in der persönlichen Selbstdarstellung. Das Bejahende wird also auf eine überredende, oberflächliche, emotionalisierende bis heuchlerische Konnotation reduziert. In vielen anderen Lebensbereichen scheint Kritik bis hin zur Negation die geistreichere, distanziertere und selbstgefälligere Haltung zu sein, die obendrein den großen Vorteil hat, dass sie nicht verbindet, sondern abgrenzt. Das hat auf denjenigen, der die Kritik übt den Rückkopplungseffekt, dass er sich als distanziert-beobachtendes Individuum bestätigt sieht. Das ist vor allem in einer Umgebung attraktiv, in der bei Kritik häufig Sachargumente und die Funktion des emotionalen Ventils verschwimmen.

Das hier beschriebene Problem ist ein zeitgenössisches und lässt sich in den ver- schiedenen Gesellschaftsbereichen aufzeigen und nachverfolgen. Es geht einher mit dem Verlust von normativen Kräften und damit letztlich einer Orientierungslosigkeit. Somit befinden wir uns gesellschaftlich in der absurden Situation, dass der Kunst oder den Künstlern mehr als vielen anderen eine reflektorisch-normative Rolle zugedacht wird. Aber auch das wiederum nicht aus einer affirmativen Haltung heraus, sondern weil andere Gesellschaftsbereiche wie Politik oder Philosophie versagt haben. Auch sämtliche Wissenschaften eignen sich hierfür nicht, da ihre große Errungenschaft das Erkennen und Begreifen, nicht aber das reflektierende Schlussfolgern ist.

Die Ausstellung „eu“ geht von der Fragestellung aus, was westliche Kultur aus- macht und welche Impulse diese geformt haben. „eu“ leitet sich von der altgriechischen Vorsilbe εὑ, welche für gut, schön oder echt steht, ab. Zugleich ist „eu“ aber auch eine Anspielung auf Europa und die Frage nach den Eigenschaften, die die westliche Kultur verbinden und deren verbreitende Triebfeder geworden sind. Dabei stellen die einzelnen sieben künstlerischen Positionen der Ausstellung einen jeweils eigenen Aspekt dar, der ein vielfältiges und fragmentarisches, aber auch ein sich gegenseitig aufbauendes Gesamtbild ergibt. Alle Werke stehen aufgrund ihrer aktuellen Entstehung nicht nur für einen zeitgenössischen Moment, sondern immer auch für eine historische Entwicklung und einen kulturellen Kontext. Denn auch wenn, und dies ist die erste verbindende Eigenschaft, sie alle in der Zeitlichkeit stehen, weisen sie auch Aspekte der Wiederholung auf. Zeit als linearer Verlauf wird erst durch Veränderung wahrnehmbar und durch Messung handhabbar. Insofern hat die Zeit eine innige Verwandtschaft mit dem Raum, für den dasselbe gilt.

Spätestens seit Einstein ist der tiefere Zusammenhang dieser beiden Dimensionen offensichtlich geworden. Auch dieser Erkenntnisschritt ist erst durch Entwicklung und Abstraktion, durch das Hinausdenken über ein nicht bewusstes und damit
für selbstverständlich und allein mögliches Wahrnehmungskontinuum geworden. Während Wiederholung der lebenspraktische Gegensatz von Zeit ist, ist Ewigkeit der metaphysische. Interessanterweise umfasst der Begriff der Unendlichkeit sowohl den Gegensatz von Zeit als auch den Gegensatz von Raum. Auch dies ist ein Hinweis auf die innige Verbundenheit dieser beiden Dimensionen. Und sowie sich die objektive Wahrnehmung der äußeren Dimensionen durch zunehmende Abstraktion und Abgrenzung verändert, so verändert sich auf der subjektiven Ebene die Selbstwahrnehmung ebenfalls. Gefördert durch eine griechisch-dialektische Geisteskultur formiert sich das Individuum, zunächst durch Tätigkeit, mit fortschreitender Abstraktion auch in Form der Selbstwahrnehmung und des egoistischen Selbstbewusstseins. Die Formung des Individuums, die eine fortschreitende Abgrenzung des Einzelnen von der Gruppe darstellt, eröffnet durch die andere Art der Weltwahrnehmung neue Formen der Reflexion. Auch für das Auftreten der Phänomene des Mitgefühls und der Empathie ist das „sich als abgeschlossenes Individuum zu fühlen“, das sich als getrennt von seinem Gegenüber wahrnimmt, Voraussetzung.

Antonio Mesones, Acryl auf Leinwand, 125 x 205 cm, 2019

Licht ist schließlich das letzte gemeinsame Element, das in der Ausstellung eine vorzügliche Stellung einnimmt, da es zum einen am offensichtlichsten ablesbar, zum anderen aber auch die zweischneidigste Metapher ist. Denn mit jeder Errungenschaft, mit jeder Entdeckung, mit jedem Erwecken geht ein Verlust einher. Jedes ans Licht bringen, bringt auch eine Verdunklung mit sich. Das Licht des Individuums verdunkelt die Gemeinschaft, das Licht der Vernunft und Aufklärung wie auch das ins Bewusstsein tretende Empfinden von Raum und Zeit verdunkelt das vom Menschen zuvor empfundene Eingebettetsein in einen makrokosmischen Zusammenhang, was letztlich in einer Sinnkrise mündet. Denn für das Empfinden von Bedeutung und Sinn ist zumindest die Gemeinschaft, wenn nicht sogar die Bezugnahme auf ein Weltbild, fundamental.